Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) berichten von einer spürbaren Zunahme an verbalen und körperlichen Übergriffen in der Zentralen Notaufnahme. Nach Informationen von Giessen Aktuell, die auf Hinweise eines Mitarbeitenden des UKGM zurückgehen, wird im Haus sogar über den möglichen Einsatz von Bodycams diskutiert – eine Maßnahme, die bislang vor allem aus dem Polizeidienst bekannt ist. Das Klinikum möchte sich zu solchen Überlegungen derzeit jedoch nicht äußern. Doch wie steht es denn aktuell um die Sicherheitslage?
Mehr Angriffe auf Beschäftigte in der Notaufnahme
Auf Anfrage teilte UKGM-Sprecherin Christine Bode mit, dass es in den Notaufnahmen in Gießen und Marburg zwar insgesamt selten – aber leider doch mehrfach im Jahr – zu körperlichen Attacken auf Ärzte, Pflegekräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Aufnahme komme. Weitaus häufiger registriere das Klinikpersonal jedoch verbale Attacken, Beleidigungen und aggressives Verhalten. „Insgesamt ist der Ton rauer geworden. Die grundsätzliche Einstellung vieler Patientinnen und Patienten, in der Notaufnahme sofort, schnell und umgehend versorgt werden zu wollen, hat sich vervielfacht“, erklärte Bode.
Sicherheitsdienste, Technik und Deeskalationstrainings
Um die Sicherheit zu gewährleisten, setzt das UKGM nach eigenen Angaben bereits auf eine ganze Reihe von Maßnahmen. In den Notaufnahmen seien Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten rund um die Uhr im Einsatz, zu Stoßzeiten wie abends, nachts sowie an Wochenenden und Feiertagen sogar verstärkt. Häufig lasse sich eine aggressiv aufgeheizte Situation schon durch die bloße Präsenz von Security-Mitarbeitern beruhigen. Hinzu kommen technische Vorkehrungen wie Kameraüberwachung, Notsignalgeber, gesicherte Zugänge sowie spezielle Fluchträume. Außerdem arbeitet das Klinikum eng mit der Polizei zusammen. Diese berät das Personal regelmäßig, wie in Bedrohungslagen am besten reagiert werden sollte.
Parallel dazu setzt das UKGM auf präventive Ansätze. Beschäftigte aller Berufsgruppen erhalten Deeskalationstrainings, die in regelmäßigen Abständen aufgefrischt werden. Dabei werden auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt zu Deeskalationstrainern ausgebildet, die ihr Wissen intern weitergeben. Für Beschäftigte, die Übergriffe erlebt haben, stehen Ersthelfer als direkte Ansprechpartner zur Verfügung. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines Mental-Health-Coachings. Auch ein niedrigschwelliges Meldesystem wurde eingerichtet, über das Vorfälle unkompliziert dokumentiert werden können – selbst wenn es sich „nur“ um verbale Gewalt handelt.
Diskussion über Bodycams am UKGM
Dass im Klinikum intern auch über den Einsatz von Bodycams nachgedacht wird, dazu wollte sich die Pressestelle auf Nachfrage nicht äußern. „Angesichts der körperlichen und verbalen Übergriffe auf Mitarbeitende in unseren Häusern sind wir natürlich stets bemüht, den Schutz und die Sicherheit für Mitarbeitende und Patienten mit verschiedensten Maßnahmen den aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Wir bitten um Verständnis, dass wir interne Überlegungen und Strategien dazu nicht vorab veröffentlichen“, hieß es dazu. In Sicherheitskreisen gelten Bodycams als Mittel, um aggressives Verhalten zu dokumentieren und potenzielle Angreifer schon durch die sichtbare Kamera abzuschrecken. Während Polizei und Rettungsdienste in Hessen bereits erste Erfahrungen damit sammeln, wäre ein Einsatz im Krankenhaus rechtlich und organisatorisch besonders sensibel – nicht zuletzt wegen des Datenschutzes.
Die steigende Zahl an Angriffen auf Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen ist kein Gießener Einzelfall. Bundesweit warnen Gewerkschaften und Berufsverbände seit Jahren vor einer Zunahme von Gewalt in Kliniken und Rettungsdiensten. In Hessen forderte die Gewerkschaft ver.di zuletzt mehr Schutz für Krankenhausbeschäftigte. Ob Bodycams tatsächlich ein Instrument werden, mit dem das UKGM künftig auf die Entwicklung reagiert, bleibt offen. Klar ist jedoch: Die Klinikleitung sieht sich gezwungen, ihre Schutzmaßnahmen kontinuierlich auszubauen.