Mit einem am heutigen Mittwoch ergangenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht Gießen den Eilantrag des DGB Hessen Thüringen gegen die von der Stadt Gießen angeordneten versammlungsrechtlichen Beschränkungen weitgehend abgelehnt. Die Stadt hatte die geplanten Kundgebungsorte für Veranstaltungen am 29. und 30. November 2025 zur Neugründung der Jugendorganisation der AfD verlegt und weitere Auflagen festgelegt.
Hintergrund: Anmeldungen und Erwartungen des DGB
Der DGB Hessen Thüringen hatte im Juli Kundgebungen unter dem Motto „Für Demokratie, Menschenrechte und eine soziale Gesellschaft Gegen Hass und Gewalt“ angemeldet. Diese sollten westlich der Lahn in der Nähe der Hessenhallen stattfinden. Geplant waren Bühnen, Musik- und Redebeiträge an drei Standorten entlang der Rodheimer Straße. Der DGB gab zuletzt an, mit rund 30.000 Teilnehmenden zu rechnen.
Verlegung auf die Ostseite der Lahn
Mit Bescheid vom 21. November setzte die Stadt Gießen neue Versammlungsflächen auf der Ostseite der Lahn fest: die Rodheimer Straße auf Höhe der Treppe zum Lahnufer sowie die Lahnwiesen zwischen der Konrad Adenauer Brücke und der Sachsenhäuser Brücke. Nach Einschätzung der Stadt bestehe auf den ursprünglich gewünschten Flächen eine deutlich höhere Gefahrenlage. Sie verwies unter anderem auf fehlende Entfluchtungsmöglichkeiten bei der erwarteten Personenzahl und auf Vorkommnisse bei ähnlichen Protesten in Essen 2024 und Riesa 2025. Auch ein Verbot bestimmter Gegenstände wie Vermummungsmaterial oder Protektoren sowie Auflagen zu Lautstärke und medizinischer Versorgung wurden verfügt.
Der DGB wandte ein, der Hinweis auf Essen und Riesa sei nicht geeignet, die Beschränkungen zu begründen, da dort andere Veranstalter beteiligt gewesen seien. Zudem seien bei dynamischen Situationen ausreichende Fluchtmöglichkeiten vorhanden.
Einschätzung der Kammer zur Gefahrenlage
Das Verwaltungsgericht folgte dieser Argumentation nicht. Es verwies auf die Einschätzung des Polizeipräsidiums Mittelhessen, wonach auf den ursprünglich angemeldeten Flächen eine Dichte von etwa fünf Personen pro Quadratmeter zu erwarten sei. Ab sechs Personen pro Quadratmeter beginne eine kritische Dichte, in der kaum Ausweichbewegungen möglich seien und Kompressionen entstünden. Die Kammer sah deshalb eine unmittelbare Gefährdung von Leib und Leben. Engstellen wie die Schlachthofstraße und begrenzte Entfluchtungsmöglichkeiten verstärkten nach Ansicht des Gerichts diese Gefahrenlage. Der Eingriff in die Versammlungsfreiheit sei daher gerechtfertigt.
Verbot von Schutzausrüstung rechtmäßig
Rechtmäßig sei nach Auffassung der Kammer auch das Verbot von Gegenständen wie Gesichtsschutzmasken, Gasmasken, Skibrillen oder Protektoren. Diese seien grundsätzlich geeignet, bei Auseinandersetzungen den Körper zu schützen oder eine Identitätsfeststellung zu erschweren.
Teilerfolg beim Thema Lautstärke und medizinischer Versorgung
Der DGB hatte jedoch teilweise Erfolg. Die Beschränkung der abgestrahlten Lautstärke hob das Gericht auf, da hier keine Gesundheitsgefahren erkennbar seien. Auch die Verpflichtung, eine umfangreiche medizinische Versorgung mit Ersthelfern, Notärzten und mehreren Rettungsfahrzeugen zu stellen, sei rechtswidrig. Für die Versammlungen sei kein abgeschlossener Bereich anzunehmen, wie es etwa bei Konzerten üblich sei. Der allgemeine Rettungsdienst reiche aus.
Die Entscheidung sei noch nicht rechtskräftig. Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel eingelegt werden.

