GIESSEN (fw). In den letzten Jahren hat der Platz vor dem Hauptgebäude der Justus-Liebig-Universität Gießen immer wieder für Diskussionen gesorgt. Von Bauzäunen während der Pandemie über den Einsatz eines Sicherheitsdienstes – nun stehen die neuen Sitzmöglichkeiten im Mittelpunkt der Kritik. Die Liberale Hochschulgruppe (LHG) Gießen zeigte sich zunächst erfreut über die Ankündigung neuer Sitzgelegenheiten, macht jedoch jetzt ihrer Enttäuschung in einer Pressemitteilung Luft. In der dortigen Überschrift heißt es: „Am UHG chillen: Allein und unbequem”? Auch in unserem Beitrag von letzter Woche häuften sich kritische Kommentare zu diesem Thema.
LHG fordert eine Stellungnahme der Universität
Diese Form der öffentlichen Raumgestaltung soll, wie Ilija Scherer, Ortsgruppen- und Fraktionsvorsitzender der LHG Gießen, erklärt, vor allem den Aufenthalt von Obdachlosen und Suchtkranken verhindern. „Eine Universität, die sich als Ort der Bildung versteht, sollte soziale Interaktion fördern und nicht durch solche architektonischen Maßnahmen behindern,“ äußert sich Scherer kritisch. Besonders problematisch sei, dass das Zusammensitzen in größeren Gruppen durch die Anordnung der neuen Bänke erheblich erschwert werde. Gerade in Zeiten, in denen sozialer Austausch und gemeinsames Lernen immer wichtiger werden, seien solche Maßnahmen laut Scherer kontraproduktiv. Die LHG fordert eine Stellungnahme der Hochschulleitung sowie mehr Mitspracherecht für Studierende bei künftigen Umgestaltungen öffentlicher Plätze.
Warum defensive Architektur?
Diese Entwicklung ist kein Einzelfall. Bereits 2019 begannen die Maßnahmen, die den längeren Aufenthalt auf dem Platz vor dem Uni-Hauptgebäude erschweren sollten. Seitdem wird ein Sicherheitsdienst auf dem Universitätsplatz eingesetzt, um das Geschehen zu überwachen. Im Sommer 2020 wurden dann zusätzlich Regeln eingeführt, die größere Treffen im Freien stark einschränkten. Auch während der Pandemie zeigte sich diese restriktive Haltung der Universität, als ein Bauzaun die Nutzung des Platzes weiter begrenzte.
Ein weiterer Vorfall war die Installation von Lautsprechern, die unangenehme Töne abgaben. Diese Lautsprecher wurden nach massiver Kritik schnell wieder entfernt. Doch die LHG sieht in den neuen Sitzmöbeln einen erneuten Versuch der Universität, das Zusammenkommen der Studierenden auf dem Campus zu negativ zu fördern.
Ein Aspekt, der nicht außer Acht gelassen werden sollte, sind die immer wieder auftretenden „Party-Exzesse“ auf dem Platz vor dem Hauptgebäude. Vor allem nach Wochenendfeiern sah sich die Universität häufig mit einem erheblichen Müllproblem konfrontiert: Leere Flaschen und anderer Unrat bedeckten regelmäßig den gesamten Platz. Das war besonders während und nach der Pandemie der Fall, als viele einen gewissen Hunger nach Geselligkeit und Party verspürten. Mittlerweile hat sich diese überspitzte Lage aber wieder entspannt. Die vergangenen Geschehnisse könnten aber die defensive Haltung der Universität verstärkt haben.
Für die Liberale Hochschulgruppe Gießen ist klar: Ein lebendiges Campusleben ist ein wesentlicher Bestandteil einer attraktiven Universität. Nur durch ein offenes Miteinander und die Einbeziehung der Studierenden in Gestaltungsprozesse kann der Campus in Gießen zu einem Ort werden, der allen gerecht wird.