Landkreis Gießen (pm). Seit knapp drei Wochen ist die Kreisstraße 29, die Lollar mit dem Staufenberger Ortsteil Daubringen verbindet, nun eine Fahrradstraße. Ein blaues Verkehrszeichen weist darauf hin. Ein Zusatzzeichen erlaubt zugleich motorisierten Verkehrsteilnehmer:innen die Benutzung der Straße – allerdings nur unter größter Vorsicht und einigen Bedingungen.
Welche das sind, scheint aber vielen Menschen nicht klar zu sein, wie Kreis-Verkehrsdezernent Christian Zuckermann im Selbsttest erfahren hat. Deswegen hat er sich kürzlich mit Vertreter:innen von Polizei, Ordnungsämtern und Verkehrsbehörde vor Ort in Lollar getroffen, um zu beratschlagen, wie gemeinsam Aufklärungsarbeit geleistet werden kann.
Für alle gilt: Maximal Tempo 30
Denn während der Verkehrsbeobachtung an der K29 wird schnell deutlich, dass sich einige Autofahrer:innen auf dieser „unechten Fahrradstraße“ regelwidrig verhalten, weil sie mutmaßlich die Regeln einer Fahrradstraße nicht kennen. „Fast niemand hält sich an das Überholverbot – weil viele Autofahrer es aber auch einfach nicht besser wissen“, sagte Polizist Thomas Baumgart vom Regionalen Verkehrsdienst Gießen.
Überholverbot galt auch schon vorher
Dabei war das Überholen von Fahrrädern auf der K29 auch schon vor der Umwidmung zur Fahrradstraße nicht erlaubt, weil die Fahrbahn zu schmal ist. Der Sicherheitsabstand, den Kraftfahrzeuge beim Überholen von Fahrrädern einzuhalten haben, liegt außerorts bei mindestens zwei Metern. Damit kann auf einer Straße, die weniger als 4,5 Meter breit ist, der notwendige Sicherheitsabstand mit einem Pkw nicht eingehalten werden, Überholen ist somit untersagt.
„Unser erklärtes Ziel ist ja, die Verkehrssicherheit für schwächere Verkehrsteilnehmer zu verbessern“, erläuterte Sandra Müller-Vogeley, Leiterin des Fachdienstes Verkehr beim Landkreis Gießen, „mit dem Schritt, die K 29 zu einer Fahrradstraße zu erklären, müssen Autos nun langsam fahren, denn es gilt auf der Strecke eine zulässige Geschwindigkeit von höchstens 30 km/h. Diese Entscheidung war daher wichtig und richtig.“
Gemeinsame Entscheidung von Kreis, Städten und Polizei
Die Entscheidung, im Landkreis Gießen die erste außerörtliche Fahrradstraße Hessens zu installieren, wird von allen Beteiligten begeistert mitgetragen. Und so nehmen sich jetzt auch alle der Aufgabe an, Aufklärung zu leisten und Verkehrsteilnehmer:innen auf die Rechte und Pflichten einer Fahrradstraße hinzuweisen.
In den nächsten Wochen werden die Ordnungsämter beider Städte, also Lollar und Staufenberg, auf der neuen Fahrradstraße kontrollieren und sowohl mit Radlern als auch mit Kfz-Nutzer:innen das Gespräch suchen. Ebenso die Polizei, die bei beobachteten Verkehrsverstößen zunächst mit den Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern sprechen wird. „Stoßen die Polizistinnen und Polizisten jedoch auf Unverständnis oder zeigen sich die Betroffenen uneinsichtig, werden wir die Verstöße auch ahnden“, kündigt Thomas Baumgart an.
Zudem wird es demnächst in Zusammenarbeit mit der Polizei, des Landkreises und beider Kommunen vor Ort einen Präventionstag geben, an dem nochmals ausgiebig auf die nun geltenden Verkehrsregeln auf der K 29 hingewiesen werden soll.
Auswertung des Verkehrsversuchs im September
Derzeit zählt zudem eine Anlage automatisch die vorbeirollenden Fahrzeuge, sei es Fahrrad, Auto oder Lkw. Daneben werden auch die Geschwindigkeiten gemessen, um ggf. zu schnelle Fahrzeuge direkt zu ermahnen. Ein digital angezeigter Smiley meldet, wenn man zu zügig unterwegs ist.
Diese Daten sollen im Sechs-Wochen-Turnus ausgewertet werden, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie die Fahrradstraße im Laufe der Zeit angenommen wird. Denn besonders für radelnde Berufspendler in Eile ist die Fahrradstraße eine willkommene Alternative zum in der Nähe verlaufenden Radweg bei der Holzmühle, der sich eher für touristische Radausflüge oder Touren mit Kindern eignet.
„Wir hoffen, dass die Strecke angenommen und von allen Nutzerinnen und Nutzern als Fahrradstraße akzeptiert wird und alle Autofahrer verstehen, dass Radler hier Vorrang haben“, sagte Christian Zuckermann. Im September kommen dann alle Beteiligten zusammen, werten die Daten mit Blick auf die Verbesserung der Sicherheit aus und entscheiden über den Erfolg dieses Verkehrsversuchs und über die Zukunft der K 29.