Gießen ist erneut Schauplatz massiver Ausschreitungen rund um das Eritrea-Festival geworden. Weit über 1000 Polizisten sind im Einsatz. Die Stadt hatte zuvor vergeblich versucht, die umstrittene Veranstaltung zu verbieten.
++ Update: 12:00 Uhr ++
(dpa). Nach den Ausschreitungen während des Eritrea-Festivals in Gießen musste am Sonntag kein verletzter Polizist mehr im Krankenhaus behandelt werden. Die Beamtinnen und Beamten hätten mittlerweile alle entlassen werden können, sagte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur.
Bei den Zusammenstößen mit Gegnern der Veranstaltung waren am Samstag 28 Polizisten verletzt worden, sieben von ihnen schwerer. Sie hätten vor allem Platzwunden, Bänderrisse und -zerrungen erlitten. Andere Beamte konnten den Einsatz trotz leichter Verletzungen fortsetzen oder meldeten die Verletzung sogar erst später – die Zahl der Verletzten war am Samstagabend zunächst mit 26 beziffert worden.
Gegner des Festivals hatten Polizisten angegriffen und unter anderem versucht, auf das Festivalgelände zu gelangen. Die Polizei setzte unter anderem Schlagstöcke und Pfefferspray ein.
++ Update: 11:05 Uhr ++
Die Lage am Vormittag ist bislang ruhig. Auch die Stadtbusse verkehren seit 8 Uhr wieder planmäßig nach Fahrplan.
++ Update: 09:32 Uhr ++
(dpa). Nach den Ausschreitungen rund um das Eritrea-Festival in Gießen ist die Nacht zum Sonntag nach Angaben der Polizei ruhig verlaufen. Die Kontrollen im Stadtgebiet seien fortgesetzt worden, es habe keine nennenswerten Verstöße gegeben, teilte das Polizeipräsidium Mittelhessen am Sonntagmorgen mit.
Gegner des Festivals hatten am Samstag Polizisten angegriffen und unter anderem versucht, auf das Festivalgelände zu gelangen. Die Polizei setzte unter anderem Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Nach Darstellung der Beamten wurden sie mit Steinen und Flaschen beworfen, 26 Polizisten wurden verletzt. Ein Großteil von ihnen habe aber den Dienst fortsetzen können. Der Polizei lagen keine Erkenntnisse über unbeteiligte Verletzte oder Schwerverletzte in den Reihen der Festivalgegner vor.
Auf dem Gelände außerhalb der Innenstadt hätten bis nach Mitternacht rund 1700 Menschen an der Veranstaltung teilgenommen. Noch am Sonntagmorgen hielten sich dort einige hundert Personen auf. Das Festival endet am Sonntagnachmittag.
Veranstalter ist der Zentralrat der Eritreer in Deutschland, der wegen seiner Nähe zu dem Regime in dem ostafrikanischen Land als umstritten gilt. In Eritrea regiert Präsident Isayas Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land. Meinungs- und Pressefreiheit sind stark eingeschränkt. Schon im August 2022 war es bei der vorangegangenen Veranstaltung zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen.
Auch Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) äußerte sich gestern zu den Konflikten: Er forderte die Bundesregierung auf, den Botschafter des ostafrikanischen Landes einzubestellen. «Der eritreischen Regierung muss deutlich gemacht werden, dass eritreische Konflikte nicht auf deutschem Boden ausgetragen werden dürfen», sagte er am Samstag. «Unsere Polizistinnen und Polizisten sind nicht der Prellbock für Konflikte von Drittstaaten.»
++ Update: Sa. 8. Juli – 16:45 Uhr ++
Nach den Ausschreitungen rund um das umstrittene Eritrea-Festival in Gießen hat sich die Lage nach Einschätzung der Polizei am Samstagnachmittag wieder beruhigt. Auch eine ab 14.00 Uhr abgehaltene Kundgebung sei bislang ohne weitere Zwischenfälle verlaufen, teilte die Polizei auf Anfrage mit. Insgesamt seien im Tagesverlauf mehrere hundert Personen kontrolliert worden. Die Polizei habe etwa 200 Personen kurzzeitig festgesetzt. Mindestens 60 Personen wurden in Gewahrsam genommen, Dutzende erhielten einen Platzverweis. Der Polizeisprecher spricht dennoch von einer «sehr dynamischen Lage, die sich noch weiter entwickelt». Man rechne damit, dass weitere potenzielle Störer anreisen könnten. «Wir nehmen die Lage natürlich sehr, sehr ernst.» Der Großeinsatz werde am Sonntag andauern. Die Polizei war nach eigenen Angaben heute mit mehr als 1000 Beamten vor Ort, Verstärkung wurde angefordert. (dpa)
++ Stand: 15:55 Uhr – wird aktualisiert ++
Gießen (dpa) – Gewalt, verletzte Polizisten und Sachbeschädigungen – zu Beginn des umstrittenen Eritrea-Festivals ist es am Samstag in Gießen zu den von Polizei und Stadt befürchteten Ausschreitungen gekommen. «Die Kollegen wurden massiv angegriffen, Steinewürfe, Flaschenwürfe, Rauchbomben», sagte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur. 22 Einsatzkräfte seien unter anderem durch Steinwürfe verletzt worden. Er sprach von einer «sehr dynamischen Lage, die sich noch weiter entwickelt». Man rechne damit, dass weitere potenzielle Störer anreisen könnten. «Wir nehmen die Lage natürlich sehr, sehr ernst.» Der Großeinsatz werde am Sonntag andauern. Die Polizei war nach eigenen Angaben mit mehr als 1000 Beamten vor Ort, Verstärkung wurde angefordert.
Seit dem frühen Morgen waren nach Polizeiangaben unterschiedlich starke Personengruppen in Gießen durch Ausschreitungen an verschiedenen Orten aufgefallen. Mindestens 60 Menschen wurden in Gewahrsam genommen, zuvor wurden etwa 50 Platzverweise erteilt. Ob auch Festivalbesucher verletzt wurden, war zunächst unklar.
Die Polizei hatte sich seit Tagen auf die Anreise potenziell gewaltbereiter Gegner der Veranstaltung eingestellt. Das Festival gilt wegen seiner Nähe zur Regierung des ostafrikanischen Landes als umstritten. Bereits im August vergangenen Jahres war es bei der Vorgänger-Veranstaltung zu gewaltsamen Ausschreitungen mit verletzten Besuchern und Polizisten gekommen. Der Zentralrat der Eritreer in Deutschland als Veranstalter rechnete am Samstag und Sonntag mit jeweils etwa 2500 Besuchern. Die Stadt Gießen hatte das Festival zunächst wegen Sicherheitsbedenken verboten. Dies wurde vom Gießener Verwaltungsgericht gekippt. Am Freitag bestätigte der Hessische Verwaltungsgerichtshof diese erstinstanzliche Entscheidung.
Wasserwerfer und Pfefferspray
Nach Darstellung des Polizeisprechers handelt es sich bei dem Festival um «eine kulturelle Veranstaltung», die die eritreische Kultur und Traditionen feiere. «Es handelt sich um eine friedliche und familiäre Veranstaltung für Jedermann.» Bereits im vergangenen Jahr waren jedoch Vorwürfe laut geworden, dort sollte Geld zur Unterstützung des Regimes gesammelt werden. Der Sprecher sagte, es sei auch zum Einreißen von Absperrzäunen gekommen sowie zu Versuchen, polizeiliche Absperrungen zu durchbrechen. So habe eine Gruppe von vermutlich rund 100 bis 150 Personen einen Zaun an den Hessenhallen – dem Veranstaltungsort – eingerissen. Die Beamten setzten Pfefferspray und Schlagstöcke ein, ein Wasserwerfer stand bereit. Rund 80 Personen wurden am Mittag von Polizisten festgehalten, es sollte geprüft werden, ob sie in Gewahrsam genommen werden. Es bestehe der Verdacht auf Körperverletzungsdelikte, Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung.
Aufgrund der dynamischen Lage seien zusätzlich zu den mehr als 1000 Beamten, die bereits im Einsatz waren, weitere Polizisten nach Gießen gerufen worden, sagte der Polizeisprecher. Es gehe um mehrere Hundert weitere Polizisten «aus allen hessischen Polizeipräsidien, die zusätzlich nach Gießen kommen, um hier für die Sicherheit vor Ort zu sorgen». Mit Lautsprechertrupps werde versucht, auf Personen einzuwirken, die an Absperrungen aufträten und möglicherweise versuchen wollten, diese zu durchbrechen. Auch ein Polizeihubschrauber und eine Drohne waren im Einsatz.
Am Mittag begann eine Kundgebung gegen das Festival in der Gießener Innenstadt, zunächst waren keine Zwischenfälle bekannt. Je nach Einsatzlage sperrte die Polizei an unterschiedlichen Stellen in der Stadt Straßen. Am Neustädter Tor gab es der Polizei zufolge eine Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von Beteiligten. Dort sei es auch zu Drohungen gegenüber Autofahrern gekommen. Von der Heuchelheimer Brücke seien auch Gegenstände geworfen worden und Autos seien beschädigt worden. Auch Mitarbeiter eines Geschäfts in der Nähe der Hessenhallen berichteten, dass Scheiben von vorbeifahrenden Autos eingeschlagen worden seien. Man habe auch Sorgen um die eigene Sicherheit gehabt, sagte eine der Beschäftigten.
Eritrea mit seinen rund drei Millionen Einwohnern liegt im Nordosten Afrikas am Roten Meer und ist international weitgehend abgeschottet. Seit einer in einem jahrzehntelangem Krieg erkämpften Unabhängigkeit von Äthiopien vor 30 Jahren regiert Präsident Isayas Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land. Parteien sind verboten, die Meinungs- und Pressefreiheit sind stark eingeschränkt. Es gibt weder ein Parlament noch unabhängige Gerichte oder zivilgesellschaftliche Organisationen. Zudem herrscht ein strenges Wehrdienst- und Zwangsarbeitssystem, vor dem viele Menschen ins Ausland fliehen.