GIESSEN (fw). In den letzten Wochen zeigt sich auf zahlreichen Luftqualitätskarten ein auf den ersten Blick besorgniserregendes Bild: In vielen Teilen Deutschlands, Europas und hier bei uns in Gießen ist die Luftqualität als schlecht bis sehr schlecht eingestuft. Doch warum ist das so? Und sollten wir uns Sorgen machen? Wir von Gießen Aktuell haben mit Dr. Diana Rose, Leiterin des Dezernats für Luftreinhaltung beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG), gesprochen, um die nötigen Antworten zu erhalten.
Was bedeuten die Messwerte für Feinstaub?
Die Luftverschmutzung wird unter anderem durch die Feinstaubkonzentration in der Luft gemessen. Dabei gibt es zwei zentrale Werte: PM₁₀ und PM₂,₅. Diese bezeichnen die Masse an Partikeln pro Kubikmeter Luft und werden nach ihrer Größe unterschieden. „PM₁₀ umfasst alle Partikel, die kleiner als 10 Mikrometer sind, während PM₂,₅ alle Partikel unter 2,5 Mikrometer einbezieht“, erklärt Dr. Rose. Je kleiner die Partikel, desto tiefer können sie z.B. auch in die Lunge eindringen und desto gefährlicher können diese auch für die Gesundheit sein.
Ab welchen Werten eine Luftbelastung als gesundheitsschädlich eingestuft wird, variiert je nach Richtlinie. Das Umweltbundesamt berechnet einen Luftqualitätsindex, der auf festgelegten Grenzwerten basiert. Besonders empfindliche Personen sollten sich jedoch bereits bei moderaten bis hohen Werten schützen.
Warum ist die Luftverschmutzung aktuell so hoch?
Ein entscheidender Faktor für die derzeitige Situation sei die Wetterlage. „Wir befinden uns momentan in einer stabilen Hochdrucklage mit einer sogenannten Inversionswetterlage“, erläutert Dr. Rose. Normalerweise nimmt die Temperatur mit zunehmender Höhe ab, doch bei einer Inversion haben wir oben wärmere Luft und eine kältere Luftschicht bleibt am Boden gefangen. „Da kalte Luft schwerer ist als warme, kommt es kaum zu Luftaustausch, wodurch sich Schadstoffe wie Feinstaub in Bodennähe anreichern. Diese Wetterlage kommt in den Wintermonaten immer mal vor und ist nichts ungewöhnliches. Aktuell hält diese Situation aber etwas länger an als meist üblich.“ Zusätzlich führe die aktuelle Jahreszeit zu erhöhten Emissionen, etwa durch Heizungen.
Wo und wie werden die Messwerte erhoben?
Die Feinstaubwerte werden an zahlreichen Messstationen in Deutschland erfasst. „Diese Messungen erfolgen mit speziellen, geeichten Geräten nach strengen technischen Vorgaben und gesetzlichen Normen, sodass die Ergebnisse sehr genau sind“, betont Dr. Rose.
Das Umweltbundesamt führt die Messwerte der einzelnen Bundesländer zusammen und stellt sie in Echtzeit zur Verfügung. Plattformen wie Apple Karten oder Wetter-Apps nutzen teils diese amtlichen Messwerte, greifen jedoch auch auf Modelle oder alternative Quellen zurück. Daher können die Angaben je nach Anbieter variieren.
Wie gefährlich ist die aktuelle Belastung für die Gesundheit?
Die aktuellen Feinstaubwerte sind sehr hoch, weshalb die Luftqualität als schlecht eingestuft wird. Besonders betroffen sind empfindliche Menschen mit Atemwegserkrankungen wie Asthma. Dort könnte die aktuelle Situation vorhandene Symptome verstärken. Daher empfiehlt das Umweltbundesamt diesen Personengruppen, körperlich anstrengende Aktivitäten im Freien zu vermeiden. Vorsicht ist also für manche geboten, aber kein Grund zur Panik. In stark smogbelasteten Regionen wie Ballungszentren in China oder Indien können die Feinstaubwerte (PM₂,₅ und PM₁₀) um ein Vielfaches höher sein als in Europa. Während in Deutschland Feinstaubwerte von 50 bis 100 µg/m³ PM₂,₅ an extremen Tagen als hoch gelten, werden in Metropolen wie Peking oder Delhi regelmäßig Werte von über 300 bis 500 µg/m³ PM₂,₅ gemessen – an besonders schlimmen Tagen sogar über 1000 µg/m³.
Trotz der erhöhten Werte gibt es bei uns derzeit keine behördlichen Alarmschwellen für Feinstaub. Das wird sich jedoch ab Ende 2026 mit der Einführung der neuen EU-Luftqualitätsrichtlinie ändern, welche offizielle Warnstufen vorschreibt.
Wann wird sich die Situation wieder verbessern?
„Sobald sich die Hochdrucklage auflöst und wieder mehr Luftaustausch stattfindet, wird sich auch die Luftqualität erholen“, beruhigt Dr. Rose. Das kann innerhalb weniger Tage geschehen oder, falls die blockierende Wetterlage anhält, mehrere Wochen dauern. Bis dahin gilt es, sich über aktuelle Messwerte zu informieren und gegebenenfalls Schutzmaßnahmen zu ergreifen.