Großen-Linden/Gießen (fw). Die Nachricht schlug ein wie ein Blitz: Aysu, eine 18-jährige junge Frau aus Aserbaidschan die in einer Jugendwohngruppe in Großen-Linden gelebt hat, wurde bei einem vermeintlich harmlosen Routinebesuch am letzten Donnerstag bei der Ausländerbehörde des Landkreises Gießen plötzlich und ohne Vorahnung abgeschoben – trotz großer Fortschritte in Deutschland und einer in Aussicht stehenden Ausbildung zur Pflegehilfskraft. Ihre Unterstützer sind fassungslos, doch der Kampf um ihre Rückkehr ist in vollem Gange.
Ein Leben in Deutschland – Mit Engagement und Erfolg
Aysu ist 2022 zusammen mit ihren Eltern aus Aserbaidschan nach Deutschland gekommen. Fast zwei Jahre waren sie unterwegs und hielten sich eine Zeit lang in der Ukraine auf. Nachdem ihr Vater straffällig wurde und nach Aserbaidschan abgeschoben wurde, und ihre Mutter über Nacht verschwunden war, blieb die damals 16-Jährige auf sich allein gestellt. Aysu wurde über das Jugendamt einer Wohngruppe in Großen-Linden vermittelt – eine privat geführte Einrichtung für Jugendliche, geleitet von Elmar Schaub und seiner Frau. Dort konnte sie sich schnell integrieren und wurde als unbegleitete Minderjährige unterstützt.
Zuletzt besuchte Aysu die Käthe-Kollwitz-Schule. Dort war sie gerade dabei in einer kombinierten beruflichen Ausbildung den Hauptschulabschluss nachzumachen und gleichzeitig als Pflegehilfskraft ausgebildet zu werden. Mit dem praktischen Teil konnte sie zu Beginn dieses Schuljahres noch nicht starten, da ihr dafür noch die nötige Arbeitserlaubnis gefehlt hat.
In der Ausländerbehörde: Polizei taucht auf – Aysu wird mitgenommen
„Aysu war hochmotiviert, wollte arbeiten und helfen“, berichtet Elmar Schaub, Leiter der Jugendwohngruppe. Am vergangenen Donnerstag kam es dann zum Schock: Bei einem routinemäßigen Termin bei der Ausländerbehörde – ursprünglich in der Hoffnung, die benötigte Arbeitserlaubnis zu erhalten – eskalierte die Situation plötzlich. Statt der ersehnten Arbeitsgenehmigung und noch während man im Wartebereich saß, rief man innerhalb der Behörde die Polizei. „Von einer Sekunde auf die andere hat sich die Welt komplett verändert“, erinnert sich Schaub. Als die Beamten über die Abschiebung informieren, fiel Aysu ohnmächtig vom Stuhl. Ich konnte nicht glauben, was hier gerade passiert.” Sie wurde mitgenommen und noch am selben Tag nach Aserbaidschan abgeschoben. Dazu kommt eine Wiedereinreisesperre nach Deutschland für die nächsten drei Jahre. Schaub ist noch immer fassungslos.
Die Polizei versprach vor Ort, in Aserbaidschan würde jemand auf sie warten und helfen. Dort angekommen, wartete jedoch niemand auf sie. Aysu fand kurzfristig Unterschlupf bei einer befreundeten Familie, doch das sei auch keine langfristige Lösung. „Wir haben Kontakt zu ihr. Sie war bereits beim Arzt, weil es ihr gesundheitlich derzeit sehr schlecht geht“, erzählt Schaub besorgt. Auch die Organisation Pro Asyl wurde vor Ort eingeschaltet. Könne dort aber auch nur bedingt helfen.
Unterstützung aus der Region – und von der Politik
Die Empörung über den Fall ist groß. Bei einer Mahnwache vor dem Regierungspräsidium Gießen am vergangenen Montag hatten sich mehrere Dutzend Menschen versammelt: Neben den „Omas gegen Rechts“ und anderen Unterstützern war auch der Bundestagsabgeordnete Felix Döring (SPD) vor Ort, um sich für Aysu einzusetzen. Er versprach, den Fall in die politischen Gremien zu tragen und die Verantwortlichen zur Stellungnahme aufzufordern. „Es ist unverständlich, dass eine gut integrierte junge Frau, die einen Beruf erlernen und in einem Bereich arbeiten will, in dem dringend Personal gebraucht wird, einfach abgeschoben wird“, kritisiert Schaub. „Unsere Jugendgruppe ist wie eine Familie. Wir haben Weihnachten zusammen gefeiert und gemeinsam Urlaub gemacht. Der Schmerz, den wir empfinden, ist groß.“ Derzeit wird Aysu finanziell von Schaubs Familie unterstützt. „Wir tun alles, damit sie zumindest die notwendigsten Dinge wie Essen und Trinken zahlen kann. Oder der Familie bei der sie derzeit ist etwas zur Miete beisteuern kann“, erklärt Schaub.
Er und die Unterstützergemeinschaft in Gießen und Umgebung wollen auf jedenfall nicht aufgeben. „Wir werden so lange weitermachen, bis wir eine Antwort von offizieller Seite bekommen. Wir sind von der Resonanz und den Hilfsangeboten sehr angetan. Doch nur wenn man das jetzt öffentlich macht hat Aysu wirklich eine Chance dass sie wieder zurückkommt und das Einreiseverbot aufgehoben wird“, betont Schaub. Auch rechtliche Beratung wird nun in Anspruch genommen.