GIESSEN (lb). Allein an der Tatsache, wie oft man in dieser Spielzeit aus der Osthalle gegangen ist und sich gedacht hat „Sowas hab ich schon ewig nicht mehr erlebt!“, lässt sich ermessen, was das für eine emotionale, intensive und unfassbare Saison ist, die die JobStairs Gießen 46ers in der zweiten Basketball-Bundesliga spielen. Was im ersten Heimspiel gegen die Artland Dragons vor spärlich besetzten Rängen mit einem exakt solchen Moment (Buzzer-Beater von Stefan Fundic) begann, findet heute Abend, vor mindestens doppelt so vielen Zuschauern wie beim Saisonauftakt, seine Fortsetzung.
Im Playoff-Halbfinale empfangen die 46ers den Topfavoriten Rasta Vechta zum vierten Spiel. Das es dazu überhaupt kommt und die Norddeutschen nicht schon im Finale stehen, ist einem weiteren dieser eingangs beschriebenen Momente zu verdanken. Das Heimspiel am Sonntag war ein Festtag, wie er selbst für die Osthalle nicht alltäglich ist. Weit über eine Stunde nach dem Spiel standen noch Fans vor der Halle, um das was sich in Gießens „Gudd Stubb“ zuvor ereignet hatte, zu besprechen und zu verarbeiten. Die Spieler, die nach und nach aus der Halle kamen, wurden frenetisch gefeiert.
Mit einer unfassbaren Willens- und Energieleistung hatten die arg dezimierten Gießener (ohne Enosch Wolf, Stefan Fundic und Luca Kahl) den Favoriten in die Knie gezwungen. Rollenspieler Kevin Strangmeyer stand in der Crunchtime seinen Mann und Flügelspieler Justin Martin auf der Bande vor dem explodierenden Stehblock. Sekunden zuvor hatte der US-Boy mit einem Wahnsinns dreier die Führung für die Mittelhessen zurückerobert und die ohnehin schon tosende Halle endgültig zum Überkochen gebracht.
Und so haben die 46ers sich dieses zweite Heimspiel, mit dem aufgrund der Personallage nur die wenigsten gerechnet haben, redlich verdient und wollen den Favoriten, der in dieser Spielzeit seine beiden Partien in der Osthalle verlor und mit der Atmosphäre überhaupt nicht klarkam, ein zweites Mal in die Schranken weisen. Sollte diese erneute Sensation gelingen, würde man am Sonntag in einem Entscheidungsspiel in Vechta um den Einzug in das Finale und das damit verbundene sportliche Aufstiegsrecht kämpfen.
46ers gegen Vechta: Es wird eine intensive Partie erwartet
Zuzutrauen ist dieser Mannschaft von Trainerfuchs Frenkie Ignjatovic in eigener Halle alles, auch wenn man bei Spiel 3 am Mittwoch gemerkt hat, dass Vechta nicht umsonst der Topfavorit auf den Aufstieg ist. Bei Gießen blieben einige Leistungsträger unter ihren Möglichkeiten und so hatten man von Anfang an keine Chance. Einsatz, Wille und Intensität stimmten aber auch im Rasta Dome und sind die wichtigsten Merkmale, mit denen dieses Team, dass den Adelstitel „Gießener Jungs“ redlich verdient hat, die Basketballbegeisterung in Gießen in nur einem Jahr wieder entfacht hat. Aus den Trümmern der vergangenen Jahre haben Geschäftsführer Jonathan Kollmar, Coach „Frenkie“ und die Jungs in den weißen und roten Trikots eine Saison gebastelt, die ihren festen Platz in der Gießener Basketballhistorie schon jetzt sicher hat.
Mit der Osthalle im Rücken, die die den ein oder anderen Gästespieler erneut aus dem Konzept bringen kann (Grüße an Tajuan Agee), ist es durchaus möglich, dass sich die 46ers heute abermals zu einer kaum vorstellbaren Energieleistung aufschwingen werden. Vechta hat bisher noch nicht bewiesen, dass sie auch in Gießen bestehen können, während Igor Cvorovic, Luis Figge, Nico Brauner und Co in der Osthalle schon die eine oder andere schwierige Situation gemeistert und sich zu einem Husarenritt aufgeschwungen haben.
Selbst wenn es heute nichts wird mit dem nächsten Basketballwunder, haben es das Management, die Organisation, der Trainerstab und das Team verdient, heute von einer hoffentlich ausverkauften Osthalle, ordentlich abgefeiert zu werden. Klar ist demnach, dass es ein Basketballfest wird. Ob es auch ein Basketballwunder gibt, wird sich heute Abend zeigen!
Von Lukas Becker, Livestream-Kommentar der Jobstairs Giessen 46ers.