GIESSEN (lb). Als Jordan Barnes letzten Sommer im Rahmen des Gießener Stadtfestes auf der Bühne am Elefantenklo stand und verkündete, er sei nach Gießen gekommen, um Meister zu werden, ging ein Raunen durch die Anwesenden und in den letzten Jahren leidgeprüften Basketballfans des BBL-Absteigers. Doch der neue Spielmacher der 46ers machte keinen Hehl daraus, was er in dieser Saison mit seinen Teamkameraden und Coach Frenkie Ignjatovic erreichen möchte.
Gute acht Monate später stand nun Kapitän Nico Brauner letzten Samstag vor der Kamera des vereinseigenen Streams und diktierte Moderator Simon Schornstein ins Mikrofon, dass er und seine Kollegen in den anstehenden Playoffs Meister werden wollen. Die Szenerie und die Protagonisten waren andere, doch die Botschaft nach einer spektakulären Hauptrunde die gleiche wie noch im Gießener Hochsommer weit vor Saisonauftakt.
Hinter Brauner spielten sich derweil Feierlichkeiten in der altehrwürdigen Osthalle ab, als hätte der mittelhessische Traditionsverein dieses Ziel bereits erreicht. Die Osthalle glich einem absoluten Tollhaus, nachdem der Spitzenreiter Rasta Vechta 86:77 besiegt war und die 46ers als Tabellenvierter und damit mit Heimrecht in die Playoffs starten. Hinter Brauner lag in diesem Moment aber nicht nur das begeisternde Spiel gegen die Norddeutschen, sondern auch eine unglaublich intensive Spielzeit, die Mannschaft, Fans und Umfeld einige Herzinfarktmomente bescherte und körperlich, sowie mental, alles abverlangte.
Mit dem Herzen bei der Sache
Nach all den Jahren des Dahindarbens mit gesichtslosen Mannschaften war diese Spielzeit mit einer kämpfenden, sympathischen und nahbaren Mannschaft Balsam auf die Gießener Basketballseele. Dabei hat jeder Spieler auch seine Schwächen, alle sind in ihrer individuellen Klasse auf verschiedene Art und Weise limitiert oder stehen sich hier und da selbst im Weg. Doch alle Akteure, sei es Wühlbüffel Stefan Fundic, Flügelspieler Luis Figge oder der Mittelhesse Kevin Strangmeyer, waren zu jeder Zeit bereit, ihr rotweißes Herz auf dem Parkett zu lassen und spielten sich in die Herzen der Fans. Dadurch stieg der Zuschauerschnitt über die Monate immer weiter an und kratzte gegen Vechta an der 3.000er-Marke.
Wünschenswert wäre, dass diese in den nun anstehenden Playoffs fällt. Verdient hätten es die 46ers allemal. Der neue Geschäftsführer Jonathan Kollmar kämpft an allen Fronten für den Club und leistet dabei sehr gute Arbeit, der eine volle Halle ebenfalls zuträglich wäre.
Gegner im Viertelfinale sind die Dresden Titans, die als Aufsteiger aus der ProB eine tolle Spielzeit hingelegt haben und als Tabellenfünfter ins Rennen gehen. Headcoach Fabian Strauß konnte dabei auf einen eingespielten Kern seines Aufstiegskaders vertrauen und verfolgte mit seiner Mannschaft das Vereins-Credo „Die Liga überraschen“ akribisch. In der Frühphase der Saison wiesen sie auch die 46ers an der Elbe in die Schranken und surften auf einer Erfolgswelle durch die ersten Spieltage. Doch auch als sich die Liga immer mehr auf den Aufsteiger eingestellt hatte, ließen die Titans nicht locker und sich auch nicht von Rückschlägen aus der Bahn werfen. Mit viel Vorfreude blicken die Elbstädter auf die Playoffs und freuen sich, gegen die Traditionsmannschaft aus Gießen in den Ring steigen zu können.
Das erste Duell dieser best-of-five Serie steigt heute Abend in der Gießener Osthalle, in der die 46ers das Rückspiel in der Hauptrunde souverän mit 90:76 gewannen. Zwar hat Dresden sein letztes Hauptrundenspiel in Münster deutlich verloren, doch wenn uns diese ProA-Spielzeit eins gezeigt hat, dann dass nichts so alt ist wie das Ergebnis des letzten Spiels. So ausgeglichen wie die Saison war, so spannend und intensiv dürften die Playoffs werden.